An manchen Tagen fühlst du dich von deinem Körper veralbert. Vor allem von deinem Parasympathikus! Dieser Teil deines Nervensystems, der eigentlich für Entspannung und Balance sorgen soll, scheint plötzlich auf Urlaub zu sein. Du stehst da, barfuß im Garten, atmest tief ein und aus, aber nichts passiert. Kein Kopfweh verschwindet, kein hoher Puls beruhigt sich, und die erhoffte Entspannung bleibt aus. Es ist, als würde dein Nervensystem eine Pause von der Regulierung machen – und genau dann, wenn du sie am meisten brauchst.
Aber was ist dieser Parasympathikus eigentlich? Er ist Teil des autonomen Nervensystems und soll dich in stressigen Zeiten beruhigen. Doch manchmal funktioniert das nicht, egal wie viele Self-Help-Tipps du ausprobierst. Es ist, als hätte dein Nervensystem selbst die Orientierung verloren.
1. Das Problem: Dein Nervensystem lebt nicht im luftleeren Raum
Das Nervensystem ist darauf ausgelegt, für Balance und inneren Frieden zu sorgen. Es soll dir helfen, in einem hektischen Alltag Entspannung zu finden und Schmerzen oder Stresssymptome wie Kopfweh oder hohen Puls zu regulieren. Doch was tun, wenn es einfach nicht funktioniert?
Wir leben in einer Welt, die ständigen Druck ausübt – und das wirkt sich auch auf dein Nervensystem aus. Egal ob Kapitalismus, Patriarchat oder der unaufhaltsame Leistungsdruck – du versuchst, in einem kranken System gesund zu bleiben.
Aber in einer Gesellschaft, in der man stolz darauf ist, nur 30 Minuten Mittagspause zu brauchen, ist Stress fast unausweichlich. Eine Stunde Pause? Kaum denkbar! Drei Stunden Siesta? Vergiss es! Dein Nervensystem reagiert genau darauf, auf diese unnatürliche Beschleunigung und Dauerüberforderung.
2. Warum es ganz normal ist, gestresst zu sein
Stress ist eine normale, völlig menschliche Reaktion auf die Welt, in der wir leben.
Es macht Sinn, dass du gestresst bist, dass du Schmerzen hast oder dein Puls höher ist, als er sein sollte. Die Herausforderung besteht darin, diesen Stress nicht noch weiter zu verlagern. Statt den Stress anzuerkennen, verfallen wir oft in die Falle der Selbstoptimierung: „Ich muss diesen Stress loswerden!“ Wir buchen den achten Online-Kurs, kaufen das vierte Self-Help-Buch und schnuppern regelmäßig an ätherischen Ölen – doch der Stress bleibt.
Dein Nervensystem ist wie ein überforderter Elternteil. Mehr Druck hilft hier nicht. Im Gegenteil – je mehr du versuchst, es zu optimieren, desto mehr sperrt es sich gegen deine Versuche.
3. Die Lösung: Langsamkeit statt noch mehr Druck
Was dein Nervensystem wirklich braucht, ist nicht noch mehr Druck, sondern Langsamkeit.
Langsamkeit signalisiert deinem Körper, dass er in Sicherheit ist, dass keine Gefahr besteht.
Und in Sicherheit kann Heilung, Regulierung und Entspannung stattfinden. Doch wie oft gönnen wir uns wirklich Langsamkeit in unserem Alltag?
Ein erster Schritt ist, sich im Unbequemen bequem zu machen. Anstatt ständig gegen deinen Stress anzukämpfen, erkenne ihn an. Es ist okay, dass du dich gestresst fühlst. Übe keinen Druck auf dich aus, den Stress sofort loswerden zu wollen.
Eine wirksame Technik ist es, mit sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Studien zeigen, dass dies besonders beruhigend ist: „Katharina, es macht Sinn, dass du Stress hast. Es macht Sinn, dass du ihn schnell loswerden willst.“
Auch einfache Berührungen können dir helfen, wieder in deinen Körper zu kommen. Lege deine Hand auf deine Schulter, dein Herz oder deinen Kiefer – dort, wo du die Anspannung spürst – und beruhige dich mit liebevollen Worten: „Du bist sicher. Du heilst in Langsamkeit.“
4. Ergotherapie, Körperarbeit und die Kraft von „Stillness“
Hier kommt die biodynamische Körperarbeit ins Spiel. Diese Therapieform hilft deinem Körper, in einen Zustand der „Stillness“ zu gelangen – einem Ort der völligen Ruhe, in dem echte Heilung geschehen kann. In der Stillness werden die natürlichen Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert, ohne dass du aktiv etwas tun musst.
Manchmal passiert in diesen Momenten der Stille mehr als in all den hektischen Versuchen, sofortige Lösungen zu finden. Biodynamische Osteopathie signalisiert deinem Nervensystem: Es ist sicher, langsam zu sein. Und genau in dieser Langsamkeit findet Heilung statt.
5. Die kleinen Dinge, die Großes bewirken können
Die unscheinbaren, kleinen Momente im Alltag können den größten Effekt auf unser Nervensystem haben.
Oft übersehen wir sie, weil sie so banal wirken, aber genau sie sind es, die unser System beruhigen können. Ein Beispiel? Länger ausatmen als einatmen. Diese einfache Atemtechnik signalisiert deinem Körper Sicherheit.
Oder: Achtsamkeit im Alltag. Es geht nicht darum, riesige Veränderungen vorzunehmen, sondern kleine, bewusste Pausen einzubauen. Langsam durch den Tag zu gehen, selbst wenn es nur kurze Momente sind, kann deinem Körper das Gefühl geben, dass alles in Ordnung ist.
Wiederhole einfache Beruhigungstechniken wie „Langsamkeit ist sicher“ regelmäßig. Dein Nervensystem braucht Zeit, um sich zu regulieren und Stress abzubauen. Strukturiere deinen Arbeitsalltag so, dass weniger Stressreize auf dich einwirken. Das ist echtes Stressmanagement!
Du machst nichts falsch, wenn du gestresst bist. Und du machst auch nichts falsch, wenn du versuchst, dich zu regulieren und es nicht sofort klappt. Dein Nervensystem heilt in Langsamkeit. Gib dir selbst die Erlaubnis, langsamer zu werden und deinen eigenen Heilungsweg zu gehen.
Es muss nicht immer der achte Kurs oder das nächste Self-Help-Buch sein – manchmal reicht es, einfach anzuerkennen, dass Stress da ist und Langsamkeit der Weg zur Heilung ist. Also, leg die Bücher mal beiseite, geh langsamer durch den Tag – und umarm ruhig mal wieder einen Baum. Diesmal ohne den Anspruch, dass er all deine Probleme sofort löst.
„Das kleine Geheimnis ist, dass Langsamkeit dein größter Verbündeter ist. Dein Körper braucht sie, um sich von jahrelangem Stress zu erholen. Stressabbau bedeutet nicht, immer mehr zu tun, sondern manchmal weniger – und das mit vollem Bewusstsein.“