Ich schreibe diese Zeilen aus meinem Wohnzimmer an einem dunklen Nachmittag. Der Graupel trommelt sanft gegen die Fensterscheibe, während der Duft von Rosentee in der Luft liegt. Ich bin hier, um zu schreiben – aber auch, um mich selbst zu erinnern.
Gerade habe ich eine Buchseite gelesen, die mich tief getroffen hat:
"Stell dir vor, du bereitest dich jeden einzelnen Tag auf eine Katastrophe vor – es ist, als würdest du dauerhaft im Notstrommodus laufen."
Und plötzlich wurde mir klar: Genau das tat ich. Vor langer Zeit. Für eine lange Zeit.
Ich rannte als Ergotherapeutin von einem Elterngespräch zum nächsten, checkte in Gedanken schon die nächsten Termine, hatte immer eine Wasserflasche griffbereit – für den Fall, dass ich vor lauter Reden Halsschmerzen bekam – und speicherte mir mental Notizen ab, falls mich jemand spontan nach einer Einschätzung fragen würde.
Während andere vielleicht durch einen Tag mit drei eigenen Kindern hetzen, war es bei mir die unablässige Herausforderung, auf jede erdenkliche Situation vorbereitet zu sein: Ein Kind weint plötzlich – habe ich Taschentücher? Eine Familie ist verzweifelt – fällt mir die richtige beruhigende Erklärung ein? Ich rechnete immer mit dem nächsten Zwischenfall und war innerlich ständig auf Alarmbereitschaft.
Oder du hast keine Kinder – und trotzdem das Gefühl, dass du immer für alles gewappnet sein musst. Du hast einen Plan B, C und D in der Tasche, für den Fall, dass A nicht funktioniert. Du scannst jede Situation nach potenziellen Problemen, hältst ständig Ausschau nach Anzeichen dafür, dass gleich etwas schiefgehen könnte. Und am Ende des Tages weißt du kaum noch, was du eigentlich gemacht hast – nur, dass du erschöpft bist, obwohl nichts wirklich Dramatisches passiert ist.
Nach solchen Tagen fühlte ich eine merkwürdige Erschöpfung. Nicht nur körperlich – tiefer. Bis ins Mark meines Seins. Und doch schaffte ich es immer wieder, mich um alle anderen zu kümmern, statt mein Wissen über Selbstfürsorge auf mich selbst anzuwenden.
Damals dachte ich, was mir fehlte, sei mehr Erholung. Aber heute weiß ich: Was mich gerettet hat, war nicht mehr Pausenzeit – es war Verbindung.
Verbindung als Gegenmittel zur Erschöpfung
Mehr Verbindung bedeutet mehr Lebendigkeit, immer. Ich weiß das schon lange – und doch überrascht es mich jedes Mal aufs Neue.
Ich sehe es im Kleinen: Wenn ich mir erlaube, nicht auf das Schlimmste vorbereitet zu sein, sondern einfach nur bei mir zu sein, dann passiert etwas Erstaunliches. Ich atme tiefer. Mein Blick wird weicher. Mein Körper hält nicht mehr alles fest. Fast so, als hätte ich Energie zurückgewonnen, die ich gar nicht bemerkt hatte, dass sie fehlte.
Und natürlich gilt das auch im Großen.
Es ist so leicht, zu glauben, dass Sicherheit durch Kontrolle entsteht. Aber in Wahrheit ist es oft das Gegenteil: Je mehr wir loslassen, desto mehr spüren wir das Leben. Das kann ein paar Minuten dauern – oder Jahre.
Ich weiß, dass es für jede:n anders ist, aber für mich gilt:
Je mehr ich mich nach Ruhe und Sicherheit sehne, desto mehr muss ich mich trauen, einfach zu sein, ohne ständig für ein hypothetisches Morgen zu planen.
Früher habe ich dagegen angekämpft. Ich wollte immer vorbereitet sein, immer alles durchdenken, immer auf Nummer sicher gehen.
Aber irgendwann habe ich verstanden:
Leben passiert nicht in der Vorbereitung. Leben passiert jetzt.
Was Verbindung wirklich bedeutet
Ich liebe es, mir die Herkunft von Worten anzusehen. Sie zeigen uns oft noch tiefer, wie wir die Welt sehen – und helfen uns, Sinn zu machen.
Das Wort Verbindung trägt bereits die ganze Wahrheit in sich:
Ver- verstärkt die Bedeutung.
Binden stammt von bintan – was zusammenfügen oder befestigen bedeutet.
Die Bedeutung hat sich über Jahrhunderte kaum verändert. Es geht immer um das Zusammenfügen, das Verknüpfen – physisch, emotional, geistig.
Die Wurzeln reichen bis ins Indogermanische:
Das germanische bindan ist verwandt mit dem indogermanischen Wortstamm bhendh-, was „binden, festmachen, verknüpfen“ bedeutet.
Und genau das fehlt uns oft im Alltag: Wir hetzen durch unser Leben, ohne irgendwo wirklich angebunden zu sein. Kein Wunder, dass wir uns über die Monate und Jahre verlieren.
Denn mal ehrlich: Würdest du einen Halbmarathon starten, ohne vorher deine Schnürsenkel zu binden?
Schon das ungeborene Kind im Bauch hat eine besondere Verbindung – die Nabelschnur.
Und wenn wir nicht weiterwissen, suchen viele von uns Halt in etwas Größerem. Eine spirituelle Verbindung, eine Rückkehr zu uns selbst – eine Erinnerung daran, dass wir nicht allein sind.
Und eine meiner liebsten Verbindungen: zur kreativen, bunten Mutter Natur.
Erinnere dich.
Du bist aus Verbindung entstanden.
Du hast die Fähigkeit, dich zu verknüpfen – mit dir selbst, mit deinem Körper, mit einer höheren Kraft, mit anderen Menschen.
Und wenn du das Gefühl hast, dass dir dieser Halt fehlt, dann lass uns gemeinsam einen Weg zurück finden.
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Über die Autorin
Katharina Krause-Pysarczuk ist Ergotherapeutin und begleitet Menschen zu mehr Ruhe, Selbstfreundschaft und einem achtsamen Umgang mit Hochsensibilität.
Mit kreativen und achtsamen Methoden ermutigt sie feinfühlige Menschen, ihre Sensibilität als Stärke zu erkennen und dem Druck der Leistungsgesellschaft mit innerer Klarheit zu begegnen. Ihre Angebote laden dazu ein, Entspannung und Selbsterkenntnis als festen Bestandteil des Alltags zu verankern.